lunedì 7 novembre 2011

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LEONID TISHKOV
Derelict Utopias
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Galerie Jiri Svestka Berlin

11 November 2011
7 Januar 2012

Potsdamer
Straße 81c
10785

BERLIN

Verlassene Utopien: Dabloide und Ladomir
Das Projekt «DABLOIDE» des Moskauer Künstlers Leonid Tishkov nahm seinen Ursprung vor mehr als 20 Jahren. Es fing alles mit Comics und Alben an, später kamen noch Bücher und ein Theaterstück dazu, dann kamen Objekte, Videos, Installationen, Performances und schließlich die Gründung des Verlags und der Gesellschaft «Dablus» zur Propaganda der dabloiden Ideen. Ausgestellt wurden die «Dabloiden» in Museen weltweit, u.a. dem Museum für Zeitgenössische Kunst in Caracas, Block Museum und im Nasher Museum (USA), dem Zentrum für Zeitgenössische Kunst Fargfabriken in Stockholm. Das MoMA in New York hat Werke von Leonid Tishkov als erste Cartoon-Arbeiten europäischer Kunst in seine Sammlung aufgenommen.

Jetzt sind die Dabloiden nach Berlin gekommen: Comic-Bilder von «Propaganda-Dablus» sowie die Installation «Fabrik der Dabloiden», die als Aktion 2009 auf dem Kammgarn Kombinat in Jekaterinburg am Ural entstanden ist. Dabei hat der Künstler die entlassenen Arbeiter dafür bezahlt, dass sie Dabloide herstellten. Dabloide sind Lebewesen unseres Bewusstseins, in der Form an einen roten Fuß mit einem kleinen Kopf erinnernd. Rot ist die Farbe des Lebens. Dabloide sind ein Symbol für die Lasten an Erfahrungen, Sichtweisen oder Vorurteilen, die jeder Mensch mit sich trägt. Wir schleppen sie mit uns herum, unter dem Arm oder auf den Schultern, wohin wir auch gehen und wen immer wir treffen. Ein Teil unserer Dabloide sind weltweit verbreitet, andere sind eher lokal anzutreffen. Dabloide beinhalten alle unsere Symbole und Ideen: Heimat, Kanzler, Nationalität, Religion, Parteien, Gagarin, Big Mac, Nationale Front, Fahne auf dem Reichstag. Dabloide sind das ultimative Symbol, das für alle Symbole unserer Welt stellvertretend ist.
Sie unterscheiden sich von Mensch zu Mensch, von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent — sie sind Ausdruck von Sprache, Geschichte und sozialer Identität. Dabloide stehen exemplarisch für alle Dinge und erlauben es den Menschen, ihr Bewusstsein zu durchdringen und den ewigen Reigen der Cliches und Symbole im Kopf aufzuhalten. Die Dabloide aus unserem Bewusstsein zu verbannen ist die wichtigste Aufgabe des modernen Menschen. Das sozial-künstlerische Projekt der «Dabloiden» ist in den 1990er Jahren entstanden, zu einer Zeit als Russland sich auf der Schwelle zu einer neuen Gesellschaft befand; leider blieb das Projekt eine unrealisierte Utopie.
LADOMIR ist ein Projekt aus dem Jahr 2006 und dem großen Futuristen und Dichter des 20. Jahrhunderts gewidmet, Welimir Chlebnikow, sowie weiteren genialen russischen Avantgardisten: dem Künstler Kasimir Malewitsch, den Wissenschaftlern Ziolkovsky und Tschischevsky, und schließlich dem Philosophen und Kosmologen Nikolai Fedorov. Leonid Tishkov hat die Installation aus den einfachsten Dingen geschaffen, ohne die allerdings die Menschheit nicht vorstellbar wäre – Brot und Makkaroni.

Im Jahr 1921 verfasste Chlebnikow das Gedicht «Ladomir», einen Aufsatz über die Utopie einer Welt von vollständigen Harmonie, in der Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, mit unterschiedlichen Sehnsüchten und Religionen zusammen leben. Für eine bessere Zukunft vereinen sie sich und erschaffen eine neue glänzende Welt. Die Menschen von «Ladomir» sind Prototypen von Vorsitzenden des Weltrates. Sie sind aus Brot geknetet: der Künstler sagt, sie bestehen aus Chlebnikow-Masse (auf Russisch bedeutet «chleb» – Brot. Im Zentrum der Installation befindet sich die Stadt «Sonnestan». Sie besteht aus Malewitschs «Architektonen», Tatlins Türmen und Popovs Rundfunkmasten. Sie wird überragt von Konstantin Ziolkovskys Röhre für Weltraumfahrten, dem Goldenen Nest-Haus, Flugzeugen und «Fliegenden Tatlins». Das ist eine zerbrechliche poetische Welt, deren Projekt nach der Russischen Revolution ein futuristischer Wunschtraum blieb: die Menschen sehen in Makkaroni nur Nahrung und nicht die leuchtenden Strahlen der Zukunft. Anfang des 21. Jahrhunderts brauchen die Menschen solche Utopien nicht mehr. Doch obwohl sie verlassen und aufgegeben wie Schiffe in der Luft schweben, erinnert uns ihre vergängliche Grösse an die Möglichkeit einer ganz anderen Welt, einer grossherzigen, von Glück und Gleichheit erfüllter Idealwelt. Am Ende der Ausstellung, in einem langen Korridor voller Schiessscharten begegnen wir noch einer weiteren unerfüllten Utopie.

Der Kristall-Magen des Engels: das ist die persönliche Utopie des Künstlers. Dieser Traum vom Fliegen gründet sich in seiner Biographie, seiner Kindheit im Ural, seinem Medizinstudium, seiner Begegnung mit dem Engel. Sie wird in Buch- und Videoform erzählt und mag noch viel rührender sein, als die unerfüllten Träume ganzer Völker.

Galerie Jiri Svestka
Berlin
11. November 2011
7. Januar 2012

Potsdamer Straße 81c

10785 BERLIN

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